Leipziger der Woche
vom 14.09.98–20.09.98:

Im Porträt: Joachim Dammhain –
Hausbesitzer, Ludwigstraße 7

 

Joachim Dammhain

  • Geb.: 1925 in Leipzig

  • später Abitur und Ausbildung zum Bibliothekar

  • 1961–1969 Diplom als Geograph

  • nach 1990 Gasthörer für Rechtswissenschaften an der Universität Leipzig

  • danach Schöffe am Amtsgericht
Schon seit drei Generationen ist die Familie Dammhain in der Leipziger Neustadt beheimatet. Ältere Bewohner werden sich vielleicht an das Eisenwarengeschäft „Rücker & Salomon“ in der Eisenbahnstraße 45 oder den Lebensmittelladen in der Bussestraße 6 erinnern. Beide wurden von Mitgliedern der Familie bewirtschaftet. Zudem waren die Häuser Ludwigstraße 7 und Bussestraße 6 in Familienbesitz. Der Mann, der dieses Eigentum vor Kriegszerstörungen gerettet, in der DDR-Zeit bewahrt und heute wieder saniert und hergerichtet hat, ist Joachim Dammhain. Wenn er sein Geburtsjahr, 1925, nennt, möchte man ihm das nicht glauben. Denn der große schlanke Mann mit dem weißen Bart und den jungen, aufmerksamen Augen, hat die Sanierung seines Hauses fast abgeschlossen und belegte bis vor kurzem Juravorlesungen an der Leipziger Universität. Doch der Reihe nach.

Geboren wurde Herr Dammhain im Haus seiner Eltern in der Bussestraße. Er wuchs hier auf, besuchte die „Barthsche Schule“ in der heutigen Querstraße und die Nikolaischule. Dieser ältesten städtischen Schule fühlt sich Herr Dammhain noch heute sehr verbunden. Er ist zur Zeit zweiter Vorsitzender des Nikolaitanervereins. Doch das ist eine eigene Geschichte. Nach seinem Abitur absolvierte Herr Dammhain eine bibliothekarische Ausbildung.

Vom Zweiten Weltkrieg blieb auch die Neustadt nicht verschont. Wohl nie vergessen wird Herr Dammhain jene Nacht, in der er auf dem Dach seines Hauses eine Phosphorbombe löschte, während über ihm noch die Flugzeuge kreisten. Nach dem Krieg kam ihm, im Gegensatz zu vielen anderen, nie der Gedanke seinen Besitz abzugeben. Trotz fehlenden Materials, hohen Aufwandes für die Instandhaltung und staatlich verordneten Niedrigmieten behielt er seine Häuser. Dabei waren schon kleine Reparaturen fast abenteuerlich. Weil keine Gerüste oder gar Hebebühnen zu bekommen waren, mußte ein Schaden am Fallrohr der Dachrinne in der vierten Etage zum Beispiel aus dem Fenster heraus behoben werden. Für eine Fassadenreparatur kamen die Zinkbleche von Verwandten aus dem Westen, jedes einzelne gerollt und als Geschenksendung deklariert. Trotz aller Widrigkeiten hat Herr Dammhain seine Häuser in der DDR erhalten können. „Es gehörte auch ein wenig Glück dazu.“, meint er.

In dieser Zeit arbeitete Herr Dammhain, nach Tätigkeiten in der Universitäts- und Stadtbibliothek, in der Deutschen Bücherei. Hier betreute er die Kartensammlung. Er hat dafür an der Universität zwischen 1961–1969 nebenberuflich sein Diplom als Geograph erworben. Die Kartographie ist auch heute noch sein Steckenpferd. Stolz verweist Herr Dammhain auf seine Artikel in den Leipziger Blättern oder Fachzeitschriften.

Nach der Wende hat Her Dammhain schweren Herzens ein Haus verkauft, um das andere sanieren zu können. „Manches ist jetzt einfacher, aber vieles auch komplizierter geworden.“, meint er. Hatte zu DDR-Zeiten die Buchhaltung für seine Häuser in einem Ordner Platz, so ist heute nicht mehr daran zu denken alle Formalitäten selbst zu erledigen. Trotzdem oder gerade deshalb schrieb er sich wieder als Gasthörer an der Universität ein. Diesmal belegte er Rechtsvorlesungen und war danach für eine Periode Schöffe am Amtsgericht Leipzig.

Offene Ohren für Probleme der Sanierung und Hilfe fand Herr Dammhain beim ASW. So konnte die Fassade seines Hauses mit Städtebaufördermitteln wieder hergerichtet werden. Das Haus in der Ludwigstraße hat heute neue Fenster, Zentralheizung und moderne Bäder. Bei der Zusammenarbeit mit Handwerksfirmen hat Herr Dammhain noch einmal Lehrgeld zahlen müssen. So ließ eine Maurerfirma nach der Entlohnung ihre Arbeit einfach unvollendet. Wenn ihm die Preise zu hoch sind, legt Herr Dammhain auch selbst Hand an. So hat er schon Türen abgebrannt und neu gestrichen oder selbst tapeziert. In sein Haus ist wieder Leben eingekehrt. Neun von elf Wohnungen sind vermietet. Für sanierte Häuser ist das ein guter Durchschnitt. Ein Grund ist sicher, daß es keine anonyme Hausverwaltung gibt, sondern der Eigentümer immer ansprechbar ist, weil er im Haus lebt.

Herr Dammhain hat viel zu tun. Neben der Sanierung wirkt er in der Kirchgemeinde, schreibt Artikel oder hält zum Beispiel Diavorträge. Ebenso kann und will er nicht über die Probleme in seiner Umgebung hinwegsehen. Müll, leerstehende Häuser, Tauben- und Hundedreck oder unsinnige Entscheidungen ärgern ihn und er macht darauf aufmerksam. „Wenn sich jeder ein bißchen mehr engagieren würde, sähe es hier anders aus.“, ist er überzeugt.

Uwe Korn, edition k

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